Rückblick
Verschiedene Skandale in der Industrie der Medizinprodukte und –Technik in den vergangenen Jahren führten zu grundlegenden Änderungen in der Direktive. Bestens bekannt dürfte den meisten noch der „Pip Skandal“ sein. Als Folge rückte der Bedarf einer stärkeren Kontrolle, orientiert an den bereits bestehenden Maßgaben für die Pharmaindustrie, in den Fokus der Öffentlichkeit, Politik und bei den Verantwortlichen Stellen. Eine Reihe von Änderungen und Maßnahmen wurden folglich als Entwurf in den letzten Jahren erarbeitet und dieser soll nun im Frühjahr 2018 endgültig als bindende Verordnung erlassen werden. Er bringt eine Reihe neuer Anforderungen an Unternehmen aus der Medizinprodukteindustrie wie auch Krankenhäuser mit sich wie auch die stärkere Kontrolle der Umsetzung.
Verordnungen statt Richtlinien
Die neue europäische Medical Device Regulation (MDR, Medizinprodukte-Verordnung) und die EU-Verordnung über In-Vitro-Diagnostika werden zukünftig die bestehenden Medizinprodukte-Richtlinien ersetzen. Dabei werden die Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte (Medical Device Directive, MDD) und die Richtlinie 90/385/EWG über aktive implantierbare Medizinprodukte (Active Implantable Medical Devices, AIMD) in der neuen MDR zusammengefasst und die In Vitro Diagnostika in einer gesonderten Verordnung, In Vitro Diagnostic Medical Devices Regulation (IVDR) behandelt.
Software im Medizinprodukt
Besondere Aufmerksamkeit erfährt die Software im Medizinprodukt. Generell zählt Software, die der Vorhersage oder Prognose von Krankheiten dient, als aktives Medizinprodukt oder kann auch Zubehör sein. Die Klassifizierungsregeln für Software haben sich darüber hinaus ebenfalls geändert. Als überaus folgenschwere Ergänzung wurde ausdrücklich formuliert:“ Bei Produkten, die Software enthalten oder bei denen es sich um medizinische Software an sich handelt, muss die Software entsprechend dem Stand der Technik validiert werden, wobei die Grundsätze des Software-Lebenszyklus, des Risikomanagements, einschließlich Informationssicherheit, der Validierung und Verifizierung zu berücksichtigen sind.“ Die MDR versteht den Begriff Software-Validation dabei ausdrücklich nicht nur als Validierung im Sinne einer klassischen Prüfung, ob die Zweckbestimmung erreicht werden kann, sondern wie die FDA als alle Maßnahmen der Software-Qualitätssicherung.
Besondere Herausforderungen erwachsen daraus nicht nur Herstellern, sondern insbesondere Ärzten bzw. Krankenhäusern.
Zur weiteren Absicherung zum Thema Software und Patientensicherheit wurde das Thema IT-Sicherheit aufgenommen: Die Hersteller müssen die Mindestanforderungen an die Hardware, IT-Netzwerke und Maßnahmen bezüglich IT-Sicherheit bestimmen einschließlich Schutz gegen nicht-autorisierten Zugriff.
Produkte
Jedes Produkt muss zukünftig über UDI eineindeutig identifizierbar sein. Verbesserung der Effizienz von Risikomeldungen und Risikoabwehrmaßnahmen, aber auch die Fälschungsbekämpfung zählen zu den Vorteilen der Einführung von UDI. Rollen Entsprechend der Pharmaindustrie ist zukünftig zwingend eine „qualified Person“ als verantwortliche Stelle vorgeschrieben. Technische Dokumentation Die Anforderungen an die technische Dokumentation werden in der neuen Verordnung deutlich detaillierter geregelt.
Transparenz
Die Datenbank EUDAMED soll zukünftig anstelle lediglich staatlicher Stellen, zukünftig (teilweise) Herstellern, benannten Stellen und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die Datenbank dient der Verstärkung der Marktüberwachung, weil rasch auf kritische Sicherheitsdaten für Medizinprodukte, die auf dem EU-Markt sind, zugegriffen werden und so auf Risiken reagiert werden kann. Die Öffnung bedeutet schnelleres Handeln bei Abweichungen und eine deutlich größere Transparenz, zu welchem Produkt Abweichungen gemeldet wurden.
Weitere Anforderungen an Hersteller
Weitere Anforderungen an Hersteller – insbesondere die Durchführung von Konformitätsbewertungsverfahren und einer klinischen Prüfung sowie Dokumentations- und Meldepflichten – werden im Vergleich zur geltenden Rechtslage konkretisiert und ausgebaut. Dabei werden die Maßstäbe für Medizinprodukte der höheren Risikoklassen deutlich angehoben.
Anforderungen an die benannten Stellen
In den vergangenen Jahrzehnten wurden Medizintechnikunternehmen bis auf die Unternehmen, die in die USA lieferten und regelmäßig durch FDA Inspektoren geprüft wurden, von TÜV und Dekra geprüft. Da dort in der Regel z.B. die Validierung von Computersystemen schon allein aufgrund eigener Qualifikation nicht im Fokus lag, sahen viele Industrieunternehmen keinen Handlungszwang.
Die neue Verordnung nimmt jetzt jedoch auch die Benannten Stellen in die Pflicht: The qualification criteria shall refer to the scope of the notified body’s designation […] providing sufficient level of detail for the required qualification […]. Specific qualification criteria shall be defined at least for the assessment of the pre- clinical evaluation, clinical evaluation, ]…|, functional safety, software, packaging, […]. Weitreichende Kontrollmechanismen sollen die Arbeit der Behörden hinsichtlich der Bewertung, Benennung, Überwachung und Notifizierung von Benannten Stellen prüfen und die Behörden selbst werden alle zwei Jahre dahingehend überprüft. Einmal jährlich wiederum werden die benannten Stellen durch die Behörden geprüft, was die Behörde nachweisen muss. Der Bericht wird der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
So ist zu erwarten, dass letztlich auch die Behörden und benannte Stellen selbst unter mehr Druck geraten, sich zu qualifizieren und intensiv zu kontrollieren.
Zusammenfassung der Konsequenzen für die Industrie
Die Industrie muss sich mit einem deutlich höheren Dokumentationsaufwand zur Umsetzung der zukünftigen Medical Device Regulation MDR auseinandersetzen. Mit zusätzlichem Druck auf die Behörden und benannten Stellen, Missstände früher aufzudecken, wird der Druck auf die Unternehmen höher, nicht nur die Qualitätssicherung gemäß den Verordnungen durchzuführen, sondern ihre Qualitätssicherungsmaßnahmen compliance konform zu dokumentieren und diese Dokumentation vorzuhalten. Dies betrifft alle Forderungen der Verordnungen und nicht alleine die Neuerungen. – Kurz: Es ist zukünftig zu erwarten, dass die Inspektoren besser qualifiziert sind und genauer hinsehen. Mit der Öffnung der Datenbank EUDAMED werden Abweichungen schneller gemeldet und weitergereicht. Missstände werden transparenter. Ab Erlass der Verordnung haben die Beteiligten drei Jahre Zeit, sich so aufzustellen, dass Sie den Anforderungen entsprechen können. Eine kurze Zeit, angesichts der Herausforderungen.
Aktueller Entwurf der MDR, lesen Sie hier [PDF 2.3MB].